Kirgisistan
by Ulrike Karthe
Kommentare deaktiviert für Pik Lenin (7134m) – dieser Berg ist jeden neuen Versuch wert
Pik Lenin (7134m) – dieser Berg ist jeden neuen Versuch wert
Am 2.Juli 2013 begann mein neues Abenteuer in die traumhaft schöne Welt der Berge. Diesmal wartete der Pik Lenin mit 7134m Höhe auf mich. Dies ist der höchste Berg der Transalai-Kette im nördlichen Teil des Pamir (Zentralasien) und hinter dem Pik Kommunismus (7495m) der zweithöchste Gipfel dieses Gebirges.
Zugegeben es ist ein enormer Komfortverzicht: kein weiches, kuschliges Bett, kein ausgiebiges Duschen, ein gebudeltes Loch als Toilettenersatz, schnarchender Lärm aus dem Nachbarzelt. 🙂 Und dennoch was kann es Schöneres geben als eingemummelt im Daunenschlafsack unter einem faszinierenden Sternenhimmel einzuschlafen und in der Morgendämmerung aufzuwachen mit einem traumhaften Blick auf die Faszination der Berge. Zurückzufinden zu sich selbst, sich immer wieder bewußt zu werden wie klein jeder Einzelne auf dieser Welt doch eigentlich ist und immer wieder eine neue Perspektive auf das eigene Leben zu gewinnen.
Dieses Mal hat es auf Grund einer Verletzung einfach nicht sein sollen, aber ich werde zurückkehren zu diesem Berg und einen zweiten Versuch wagen ! 🙂 Dennoch habe ich sehr schöne Eindrücke von dieser Bergwelt mitgenommen und vor allem Menschen kennengelernt, die mir sehr ans Herz gewachsen sind und die ich auf jeden Fall wiedersehen werde.
Nach einigen Unruhen in Pakistan konnte Steffen, unser deutscher Guide, unsere Expedition kurzfristig leider nicht begleiten, so dass er Ralf und mich nur bis zum Flughafen Berlin Tegel begleitete, um uns noch einige Instruktionen zu geben. Dort wartete schon Uwe auf uns und zu dritt flogen wir mit 90kg Übergewicht im Gepäck nach Istanbul. Mit Michaela aus Österreich, Hannes und Matthias aus Coburg, die unser Team komplett machten, ging es von da aus weiter nach Bishkek, der Hauptstadt von Kirgistan. Und nach 6 Stunden Wartezeit am Flughafen überquerten wir das Land 40 Minuten mit einer kleinen Maschine nach Osh.
Endlich angekommen mit 4 Stunden Zeitverschiebung sehnten wir uns alle nach einer Dusche und etwas erholsamen Schlaf, den man zusammengeknautscht im Flieger bzw.auf den diversen Liegemöglichkeiten der Flughäfen wie immer nicht wirklich bekommt. 🙂 Gegen 10Uhr am 3.7. kamen wir im Hotel in Osh an und nach einer Abkühlung von der drückenden Hitze des Landes und einem Mittagspäuschen liefen wir mit Nikolai, unserem kirgisischen Guide, in die Stadt hinein, um etwas zu essen und ein bisschen das Leben der Einheimischen kennenzulernen.
Gegen 22Uhr fielen wir alle in unsere kuschlig weichen Betten und freuten uns voller Aufregung auf die Berge.
Nach dem Frühstück fuhren wir mit all unserem Gepäck in einem Kleinbus eng aneinander gepferscht 6 Stunden bis zum Basislager des Pik Lenin. Auf dem Weg dahin kauften wir noch 3 Melonen, die hier wirklich lecker schmecken, und hielten noch ein paar Mal an, um diese Landschaft auf Bildern einzufangen.
Die Sonne strahlte auf uns hernieder und im schönsten Farbenspiel erreichten wir nach einer ganz schönen Holperpiste unser Lager de Luxe mit 2 Jurten zum Kochen und Essen, einer Waschgelegenheit, Toilettenhäuschen mit Seeblick und einer Café – Bar ganz in der Nähe. 🙂
Wir richteten immer zu zweit gemütlich unsere Zelte ein und da wir uns jetzt schon auf etwa 3600m befanden, wanderte jeder nochmal ein bisschen höher, um sich an die geringere Sauerstoffdichte besser anzupassen und gut schlafen zu können. Michi und ich verstanden uns von Anfang an sehr gut und ich war froh, nicht die einzige Frau zu sein. Bisher haben nämlich immer nur die Männer geschnarcht. 😉
Mit einem traumhaften Blick im Sonnenuntergang auf den Pik Lenin träumten wir uns nach einem lecker gekochten Abendessen unserer kirgisischen Köchin in die Nacht hinein.
Ausgeschlafen und nach einem typischen ‚Hercules-Frühstück‘ wartete am 5.7.eine kleine Eingehtour in Richtung Lager 1 auf uns. Mit genügend Flüssigkeit, ein paar kleinen Snacks und Sachen für wechselnde Witterungsbedingungen wanderten wir gegen 9Uhr zu einem Pass, verweilten dort eine zeitlang, um uns noch besser an die Höhe zu gewöhnen und erreichten am frühen Nachmittag wieder das Basislager. Bis zum Abendessen sortierten wir die Ausrüstung, bauten zur Probe ein Zelt für die Höhenlager auf, verteilten das Essen, legten mit Nikolai einen Besteigungsplan fest, schlemmten Melone, lasen und entspannten im Zelt.
Am Abend packt jeder sein Equipment für den nächsten Tag, um ins Lager 1 zu kommen und bereits die wichtigsten Dinge dort deponieren zu können.
Zum Frühstück warmer Grießbrei – so lecker 🙂 und ideale Kraftnahrung für den Tag ! Vollbepackt mit meinen Expeditionsschuhen, Steigeisen, Gurt, Schlafsack, Isomatte, Kartuschen, Essen, Klamotten und Trinken für den Aufstieg…also gefühlt mindestens 20kg auf dem Rücken dauerte unsere Tour zum Lager 1 fast 6 Stunden. Wir waren oben auf nun mehr 4400m Höhe alle so k.o., dass ich beim verdienten Mittagessen noch Erklärungen abgab wie sich Schmerzpunkte am besten wegtriggern lassen. 🙂 Draufdrücken bis einem keine Tränen mehr kommen. 🙂
Sogar im Lager 1 standen unsere Zelte schon und auch ein kirgisischer Koch verzauberte uns mit seiner kreativen Kochkunst. So ein Service, wenn das nix is !
Nach etwas Ruhe liefen Michi und ich wieder etwas höher in die Berge, setzten uns zwischen die bunte Blumenwelt, die es hier noch gibt und genossen die Natur, die Aussicht auf die Gipfel und die Faszination Pik Lenin. Traumhaft !
Wieder am Zelt ruhte ich mich bis zum Abendessen aus, doch allmählich begann der Kopfschmerz in mir zu hämmern und das Gefühl, völlig neben mir zu stehen. Auch wenn einem in diesen Augenblicken Gedanken kommen, warum ‚Frau‘ sich dieser Quälerei aussetzt…aber die Gipfel dieser Erde entschädigen für alles ! 🙂
Ohne Abendessen, dafür mit einer Schmerztablette, viel Tee und sehr lieb von Michi umsorgt, schlief ich irgendwann unter den Sternen von Kirgistan ein. 😉
Am nächsten Morgen strahlte mich wieder die Sonne an, meine Kopfschmerzen waren weg und ich freute mich auf ein leckeres Frühstück mit ‚Hercules‘ und Blinis – russischen Pfannkuchen. Danach stiegen wir total erleichtert von dem ganzen Gepäck mit kleinen Photopausen ins Basislager ab.
Dort wartete schon das Mittagessen auf uns und nach einer kurzen Lagebesprechung mit Nikolai durfte sich jeder den Nachmittag frei gestalten nach den Möglichkeiten in dieser Region. Also Baden in einer der unzähligen Seen, Wäschewaschen im Fluss, Lesen im Schlafsack, Melone ’schlachten‘ oder einfach nur die Seele baumeln lassen. 🙂
Allmählich versteckte sich jedoch die Sonne immer mehr hinter den Wolken und es fing an zu Graupeln.
In dieser Nacht rüttelt es immer wieder an unserem Zelt und am Morgen sollten wir auch erfahren WARUM ? 😉
Kaum das wir den Reißverschluß unseres Zeltes ein wenig geöffnet hatten, erblickten wir nur weiß so weit der Blick reichte. Total eingeschneit erwachten wir an diesem Morgen und das Rütteln der letzten Nacht entpuppte sich als ‚vor dem Zusammenbruch schützendes Schneeabschütteln‘ zweier Helfer im Basislager. 🙂
Na toll. Das’n Ding. Schnee. Juhu…. 😉
Nach dem Freischaufeln unserer Zelte erklärte uns Nikolai beim Frühstück, dass es heute keinen Sinn hat, wieder ins Lager 1 zu gehen, weil die Lawinengefahr zu groß sei. Ein bisschen traurig entschieden sich Ralf, Hannes, Matthias und ich spontan erst einmal einen Schneemann zu bauen womit wir zur Attraktion des Morgens wurden. 🙂
Langsam blinzelte die Sonne durch die Wolken und mit ihrer Wärme schmolz sie den Schnee, so dass das Grün wieder zum Vorschein kam. Trotzdem begleitete uns an diesem Ruhetag immer wieder leichtes Graupeln und nach einem kleinen Spaziergang blieb uns nichts anderes übrig als die Stunden im Zelt zu verbringen. Ja, das ist so’ne Sache mit dem Ausruhen, wenn man doch immer ‚Bienen im Po‘ hat und es schwer fällt, still zu sitzen. 🙂
Ein neuer Morgen und wieder Schnee soweit das Auge reicht ! 🙂 Ein bisschen bedrückt und mit wenig Hoffnung, dass wir an diesem Tag aufsteigen würden, saßen wir beim Frühstück und besprachen die Lage mit Nikolai. Er wollte erst einmal abwarten und tatsächlich als der Himmel aufriß, entschieden wir uns zum Lager 1 zu gehen, erneut mit Vorräten für die noch höher gelegenen und dem restlichen Equipment für die geplante Besteigung. Einerseits machte es uns der viele Schnee schwerer vorwärts zu kommen und andererseits hatte er die Berge in eine wunderschöne Landschaft verwandelt, in der jeder Sonnenstrahl ein goldenes Glitzern hinterließ. Traumhaft schön !
Das einzig Negative, das sich bei mir bemerkbar machte, waren leichte Schmerzen in meinem rechten Schienbein, die sich langsam bei jedem Schritt zeigten. Am Abend nahm ich schließlich noch eine Schmerztablette und bandagierte meinen Unterschenkel. Ich hoffte, dass es am Morgen wieder besser sei, denn wir wollten ganz früh raus, um weiter zum Lager 2 zu gehen.
Wie sollte es anders sein, Schnee – Schnee – Schnee ! 🙂 Da Nikolai uns nicht geweckt hatte, wußten wir, dass unser Zeitplan für den Gipfelsturm wieder total durcheinander gebracht wurde. Also buddelten wir am Morgen die Zelte frei und halfen auch dem Küchenteam ihre Behausungen vom Schnee zu befreien. Nach einem gemütlichen Frühstück beschlossen wir wenigstens ein Stück Richtung Pik Lenin zu gehen, um uns auch die Gegebenheiten besser anschauen zu können. Mit Steigeisen, Eispickel und in Seilschaften bestiegen wir die relativ steile Flanke zum Lager 2 und so manche Gletscherspalte flößte uns doch viel Respekt ein.
Nach gut 3h entscheiden wir uns den Rückweg zu Lager 1 anzutreten und was ich beim Anstieg kaum merkte, spürte ich beim Abstieg umso mehr… meine Schmerzen im rechten Schienbein … 🙁 Am Ende der Tour hatte ich bei jedem Schritt solche Schmerzen, dass ich kaum mehr wußte, wie ich noch auftreten soll, um überhaupt vorwärts zu kommen.
An diesem Abend beschleichte mich schon ein ganz schlechtes Gefühl ! 🙁
Nikolai weckte uns noch in der Dunkelheit, um gut präpariert und im nicht zu weichen Schnee zu Lager 2 aufzusteigen. Ich selbst hatte überhaupt kein gutes Gefühl, denn meine Fußheber-Sehne war bereits richtig dick geworden und trotz Bandage und Schmerzmittel tat mir jeder Schritt weh. Ich wollte mitgehen, mir ging es ja sonst wirklich gut, kein Kopfschmerz, keine Übelkeit…nur dieser Fuß ! Unser erstes Hindernis, ein kleiner Abhang, bedeutete für mich schließlich das Ende für den Aufstieg an diesem Tag. Mit Tränen in den Augen verabschiedete ich meine Gruppe, wünschte ihnen viel Erfolg und ging allein zu Lager 1 zurück.
Leider halfen mir auch 2 Ruhetage nicht, um die Sehnenscheidentzündung etwas zu lindern, so dass für mich das Abenteuer Kirgistan und somit der Pik Lenin wieder in weite Ferne rückten.
Danke Ihr Lieben für die dennoch schöne Zeit und die Erfahrung, das es eben auch mal nicht so funktioniert wie ‚Frau‘ es sich erträumt. Wir sehen uns wieder wo auch immer auf dieser Welt !