12 Feb 2010, 10:59pm
Argentinien
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Mein Gipfelerfolg – der Aconcagua in Argentinien ! Teil III

Erneut blies ein eisiger Wind durch die Berge und auch wenn wir zu Beginn noch ganz gut voran kamen, so nahm die Stärke der Luftströmung immer mehr zu und erreichte über den Tag gefühlte ‚Orkanstärke‘. Unser Team wurde dadurch weit auseinander getrieben und im Grunde kämpfte jeder für sich allein. Teilweise schnürte es mir regelrecht die Luft zum Atmen ab und drückte mich zu Boden. Ich verlor so viel Energie und nicht mal mehr die Powergels, die ich mir jede Stunde mit genug Tee zuführte, konnten diesen Kraftverlust etwas kompensieren. Davon wurde mir eher langsam schlecht.

Immer wieder waren wir gezwungen, stehen zu bleiben und uns auszuruhen. Der steilste und somit schwierigste Teil lag noch vor mir und ich wußte einfach nicht, woher ich diese Kraft dafür nehmen sollte. Der Weg zum Gipfel lag sichtbar vor mir und doch arbeitete gleichzeitig auch die Zeit gegen mich.

Ich stand unterhalb des Gipfels, ziemlich erschöpft und mit einem letzten Rest an Flüssigkeit. Nach 8h Aufstieg mußte ich mich zum Umkehren entschließen. Ich war total müde ! So sehr ich mich auch selbst zu motivieren versuchte, es half nichts, ich mußte zurückgehen. Es fiel mir in diesem Augenblick so schwer, aufzugeben – all die Vorbereitung, das Training, die Zeit, die ich investiert hatte, um mich auf diese Expedition vorzubereiten und jetzt die Ungewissheit, ob ich jemals wieder diese Möglichkeit haben würde, diesen Weg zu gehen,… 🙁

Auf dem Rückweg hatte ich das Gefühl die Windstärke nahm noch mehr zu. Teilweise brauchte ich für ein paar Meter eine halbe Ewigkeit. Manchmal mußte ich mich sogar erst einmal hinlegen und warten, dass es mich nicht wegwehte.

So etwas hab ich noch nie erlebt. Ich hatte schließlich nichts mehr zu Trinken und den Weg zurück zum Camp Berlin fand ich irgendwie auch nicht mehr. Ich wartete einfach und dann sah ich Peter, Christoph und Hartmut, die sich genauso orientierungslos gegen den Wind stemmten. Gemeinsam erreichten wir das 2.Höhenlager.

Dort blies es fast unsere Zelte weg. Wir versuchten zu retten, was zu retten ging. Doch es war keine Besserung der Witterungsverhältnisse in Sicht. Peter, unser Guide, schickte einige von uns, auch mich, noch am selben Abend runter ins Basislager. Ich hatte solchen Durst und es lagen noch mindestens 3h Abstieg vor mir. Ich war so kaputt, doch ich wußte, ich muß noch runter !

Gegen 20Uhr erreichte ich endlich das Basislager. 8 aus unserem Team befanden sich noch immer im Camp Berlin bzw. auf Grund des Sturms auf dem Weg dahin, um in Sicherheit zu gelangen. Über unsere Funkgeräte verständigten wir uns mit Peter über die aktuellen Geschehnisse und wir im Base Camp hofften, dass alle die Nacht dort oben gut überstehen.

auf dem Weg zum Gipfel des Aconcagua

Etwas besorgt fanden wir alle noch ein bisschen Schlaf in dieser Nacht. Im Laufe des Vormittags traf schließlich die 2.Hälfte unserer Gruppe erschöpft, aber glücklich im Basislager ein. Beim Mittagessen ‚entbrannten‘ ein paar ‚heiße Diskussionen‘ über den weiteren Verlauf der Expedition. 🙂 Die Gipfelstürmer wollten nur raus aus den Bergen und wieder mehr Sonne und vor allem Strand und Meer. Das daraus später nicht wirklich etwas wurde, lag wahrscheinlich an fehlender weiblicher Initiative. Denn nach den mir ‚zugespielten‘ Bildern zu urteilen, hatten sie mehr ‚Blödsinn‘ im Kopf – typisch Jungs !!!  🙂

Übrig blieben nun noch 5, die einen 2.Versuch wagen wollten, wobei ich zugeben muss, dass ich ziemlich traurig über meine Niederlage war und diesen Gipfel im Grunde schon hinter mir gelassen hatte. Also vielen, lieben Dank für die überzeugende Motivierung, denn mehr als ein erneuter vorzeitiger Abstieg hätte nicht passieren können !

So präparierten wir unser Equipment ein zweites Mal. Wir engagierten noch 2 Träger, die einen Teil – wie Zelte, Schlafsäcke und Essensvorräte – für uns ins Camp Berlin trugen. Denn nach nur einem Ruhetag sollte es wieder 1600m höher gehen.

Vorbereitung zum 2.Gipfelversuch

Während Peter und Achim zu unserer moralischen Unterstützung im Basislager blieben, machten sich die anderen auf den Rückweg zum Ausgang des Nationalparks. Gegen 9.30Uhr ’stiefelten‘ ‚Atze‘, ‚Skipper‘, Jens B., Michelle und ich – ‚Waltraud‘- los. MISSION: 2.CHANCE ! An diesem Tag merkte ich schon früh, dass es mir wirklich gut ging und nach nur 5h erreichte ich als Erste Camp Berlin. Nachdem alle da waren, konnten wir die Zelte aufbauen und uns einrichten. Ich muss sagen, es war eine tolle Teamarbeit und Michelle hatte unsere Versorgung mit den 2 Kochern voll im Griff.

wieder im Camp Berlin

Trotz allem war ich schon sehr aufgeregt, denn ich wollte jetzt noch viel mehr auf diesen Berg. Früh am Morgen ließen wir uns „Mousse au Chocolat“ schmecken und 6.15Uhr war Abmarsch. Es war fast windstill und der Anstieg somit angenehmer auch durch die bisherige sehr gute Höhenanpassung. Diesmal sah man noch unzählige andere Ambitionierte, die es an diesem Tag schaffen wollten. Im Vorfeld hatte ich mir ein paar Energieriegel und PowerGummitierchen ‚geschnorrt‘,optimal vorm Gefrieren in meiner Daunenjacke gesichert – nie wieder PowerGel ! 🙂

Ohne Kopfschmerzen, Schwindel oder irgendwelche anderen Anzeichen von Höhenkrankheit ‚tigerte‘ ich Meter für Meter Richtung Gipfel. Ich überholte nach und nach alle, die vor mir liefen. Irgendwann war ich diejenige, die den Weg vorgab – jedenfalls hatte ich das Gefühl, auf meinen Fußspuren verfolgt zu werden. 🙂

Bis zu den ersten Schneefeldern konnten wir die Sicht auf die Anden in vollen Zügen genießen, doch allmählich zog es immer mehr zu und es begann zu schneien.

Umso höher ich kam, desto mehr zählte ich jeden meiner Schritte – immer bis 20 und dann ne kurze Atempause ! 13Uhr war es soweit – mein Gipfelsturm als Dritte aller Aufsteigenden ! ‚Frau‘ sah nichts, aber das war total egal.

ICH STAND AUF DEM ACONCAGUA IN 6962m HÖHE ! WAHNSINN !!!

Gefühle, die ich kaum beschreiben kann, liegen in der Herausforderung, niemals aufzugeben !!!

Da ich nicht wußte, wie weit meine 4 Mitstreiter bisher gekommen waren, begab ich mich nach etwa 1h auf den Rückweg und kurz danach begegneten mir schon ‚Atze‘ und ‚Skipper‘, später Jens B. und dann auch noch Michelle. Und sie alle waren oben. Schöner hätte es fast nicht sein können.

Beim Abstieg nahm der Schneefall immer mehr zu und durch das Geröll wurde es oftmals sehr rutschig und teilweise schwierig auf dem Weg zu bleiben. Zurück im Camp Berlin kochte ich Tee und wartete auf die Anderen. Immer in Kontakt mit Peter empfahl er uns noch an diesem Abend ins Basislager abzusteigen. Wirklich begeistert war ich von dieser Idee nicht, da wir alle sehr müde waren. Jedenfalls packten wir dann doch noch unsere Ausrüstung zusammen und machten uns im Schneegestöber auf den Rückweg. Es wurde immer dunkler und alles schneite zu. Nach 2:30h war ich unten. Gefolgt von Jens B.  ‚Atze‘ und ‚Skipper‘ waren per Funk auf ‚Häuser‘ gestoßen 🙂 – entweder lag es am Flüssigkeitsmangel oder am Kraftverlust, denn zugegeben, ich mußte kein Zelt wie eine Handtasche nach unten tragen.

Aber auch sie fanden zurück und da soll ‚Mann‘ mal nicht behaupten, dass Frauen keinen Orientierungssinn hätten.  🙂

Michelle blieb oben und wir verabschiedeten uns nach leckerer Pizza in unsere Zelte.

Mein Gipfeltag !

Nach fast 12 Stunden Schlaf erwachte ich durch die Wärme der Sonne und von dem Schnee der letzten Nacht war die Hälfte schon wieder getaut. An diesem Tag erholten wir uns von den Anstrengungen, lagen in unseren Zelten, schliefen, lasen und füllten unsere Energiespeicher wieder auf. Am Nachmittag konnten wir dann auch Michelle im Basislager begrüßen. Ach, und nicht zu vergessen, mußten wir ja auch unser Müll-und ‚Shit‘-Beutel ‚gefüllt‘ zurückgeben. Ich will gar nicht wissen, was manche da so abgegeben haben. 🙂

Noch einmal in unsere Schlafsäcke einkuscheln und dann ging es zurück in die Zivilisation.

Kurz nach 7Uhr „rannten“ die Männer förmlich runter von den Bergen, wieder durch das endlos lange Tal am Camp Confluencia vorbei.

auf dem Rückweg vom Basislager

Zum Glück gönnte uns Peter dann doch noch ab und zu ein kleines Päuschen, um noch ein wenig diese Eindrücke der Berge genießen zu können. Ich nutzte die Gelegenheiten, meinen Kamera-Chip vollzuknipsen, um jeden Augenblick nicht nur im Herzen festzuhalten.

Schon fast rekordverdächtig erreichten wir gegen 13.30Uhr den Eingang des Aconcagua-Nationalparks. Doch so fix wir auch waren – unser Bus nach Santiago de Chile war nicht da. Wir warteten und warteten und warteten … niemand kam. Total genervt (ohne einzelne Namen zu erwähnen 🙂 ), saßen wir in der Hitze der Sonne und versuchten auf jede uns mögliche Art und Weise Kontakt zu unserem einheimischen Unternehmen aufzunehmen, um Nachforschungen zu betreiben. Nach 2:30h war es endlich soweit. Einsteigen und Abfahrt zur Maultierfarm, um unser Hauptgepäck abzuholen. Die Maultiere waren natürlich auch noch nicht da, so dass wir unsere Zeit damit verbrachten, erst einmal etwas Essbares aufzutreiben.

Mit allem Gepäck im vollgeladenen Bus kamen wir zur argentinisch-chilenischen Grenze und wurden dort noch 2h regelrecht ‚gefilzt‘, wobei es sehr interessant war, mit anzusehen, wie einer der Zollbeamten sogar eine Banane unter der Lupe auseinander nahm. 🙂

zurück am Eingang des Nationalparks

Fast um Mitternacht kamen wir endlich in Santiago de Chile im Hotel ‚Santa Lucia‘ an und nachdem wir unsere Zimmerschlüssel hatten, wollte ich nur noch duschen. 30 Minuten ließ ich das warme Wasser über meine Haut laufen und kaum lag ich im Bett, schlief ich auch schon. Total müde und fertig ! 🙂

Santiago de Chile

Schließlich blieben uns am Ende dieser Tour 2 Tage in Santiago de Chile. Nicht ganz ausgeschlafen, ‚flitzten‘ Michelle und ich an diesem neuen Morgen gerade noch rechtzeitig zum Frühstück, um unseren Hunger mit einem nicht wirklich vielfältigen und ausgewogenen Essen zu stillen.

Nachdem sich unser Guide mit Anhang heimlich ganz früh ans Meer ‚verdrückt‘ hatte, blieben wir zu fünft zurück in der Großstadt, ohne zu wissen, was wir hätten anstellen können. Im Grunde wollten wir alle einen gemütlichen Tag erleben, entspannen und lecker essen. Hmmm…

…bald stellten wir jedoch fest, dass Santiago de Chile wie ‚ausgestorben‘ war – alle Geschäfte geschlossen, kein offenes Café in Sicht. Das lag daran, dass an diesem Tag Präsidentschaftswahlen stattfanden – das Abenteuer ging also weiter ! So entschied ich mich für Schlafen und Lesen während die Anderen weiter auf Nahrungssuche gingen. 🙂

Am 2.Tag fuhren wir zum Cerro San Cristóbal, um einen herrlichen Blick über die verschiedenen Stadtteile von Santiago de Chile zu bekommen. Auf diesem Gipfel befindet sich eine Kirche, ein Amphitheater und eine 22 m hohe Statue der Jungfrau Maria. Ansonsten konnte nun endlich jeder noch einmal durch die Läden bummeln auf der Suche nach kleinen Erinnerungsstücken und Mitbringseln für die Lieben daheim.

Der letzte Abend gehörte einem gemeinsamen Abendessen mit allen Expeditionsteilnehmern.

auf dem San Cristòbal

Eine letzte Nacht und es ging zurück in unsere Heimat, in der viel Schnee auf uns wartete. Mit der Verabschiedung am Flughafen in Frankfurt am Main endete mein bzw.unser Abenteuer Aconcagua !

Tag der Abreise

Lieber Peter, Jens B., ‚Skipper‘ (Jens E.), ‚Atze‘ (Jens M.), Uwe H., ‚Mausi‘ (Uwe G.), Holger B., Holger H., ‚Arno‘ (Bodo), Christoph, Achim, Hartmut und liebe Michèle !

DANKE für die geile Zeit !!! 🙂

Eure ‚Waltraud‘  (Ulrike)


„WIR ALLE BRAUCHEN VON ZEIT ZU ZEIT EINEN NEUEN STANDPUNKT,

UM DIE WELT WIEDER NEU ZU SEHEN !“